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  • Veröffentlichungsdatum 27.11.2016
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Bertelsmann Stiftung berichtet über unzureichende psychotherapeutische Versorgung von Asylsuchenden

Im September hat die Bertelsmann Stiftung einen Sachstandsbericht zur „Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden“ veröffentlicht. In diesem wird u.a. über die psychotherapeutische Versorgung von Asylsuchenden berichtet. Dieser ernüchternde Bericht der Bertelsmann Stiftung soll sowohl eine Bestandaufnahme als auch einen Aufruf an die Politik darstellen, sich der prekären Lage von Flüchtlingen und Asylsuchenden anzunehmen. Eine Öffnung der Regelversorgung für Flüchtlinge sei aufgrund der bereits zu geringen Kapazitäten nicht die Antwort. Daher werden neue, kreative Wege und eine gesicherte Finanzierung von PSZ gefordert.

In dem Bericht wird eindrücklich geschildert, dass die meisten Asylsuchenden in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes nur in Akutsituationen die Möglichkeit einer Krisenbehandlung bei einem niedergelassenen Therapeuten haben. Eine Behandlung aufgrund hoher Belastung durch eine Posttraumatischen Belastungsstörung kann hierbei jedoch abgewiesen werden, weil diese Belastung bei Menschen aus Krisengebieten „üblich ist“ (VG Potsdam, 21.06.2004 - 12 K 2435/02.A). So erhalten die wenigsten Flüchtlinge in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes eine Behandlung, und wenn überhaupt, dann nur Kurzzeit- und Krisenbehandlungen mit maximal 25 Stunden.

Sobald die Flüchtlinge länger als 15 Monate im Land sind, wird die Gesundheitsversorgung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen und die Betroffenen müssen mit allen anderen gesetzlich Versicherten um die bereits raren Behandlungsplätze konkurrieren.

Ein Großteil der psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden wird durch die schwierigen Versorgungsbedingungen, in jeder Aufenthaltsphase, von Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (PSZ) übernommen. Allein im Jahr 2015 wurden 13.500 Klienten in PSZ behandelt. Dies waren etwa 3.500 Personen mehr als im Jahr 2013. Der Anstieg der Behandlungsplätze in PSZ wird aber dem seit 2015 noch einmal erheblich angestiegenen Bedarf an Behandlungsplätzen für psychotherapeutische Behandlung bei weitem nicht gerecht. Insgesamt können nur etwa 6% der hilfsbedürftigen Asylsuchenden an niedergelassene Psychotherapeuten und 13% an Fachärzte vermittelt werden. Problematisch ist auch, dass die PSZ primär von temporären Fördermitteln (z.B. EU-, Bundes- oder Landesmittel oder Spenden) finanziert werden, sodass es hier keine gesicherte Finanzierung gibt. Insgesamt gibt es in Deutschland bisher nur 32 PSZ. Die Anfahrtswege mancher Flüchtlinge betragen zwischen 200 und 500 Kilometern. Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz sind auch in den PSZ lang und betragen hier in der Regel sieben Monate. Bundesweit stehen in einem Monat durchschnittlich 1.500 Flüchtlinge auf deren Wartelisten. Neben PSZ und Niedergelassenen haben sich auch einige Psychotherapeutische Institutsambulanzen der Versorgung von Flüchtlingen verschrieben, aber auch hier sind die Angebote rar.

Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Flüchtlinge nicht ausreichend Deutsch sprechen, um von einer psychotherapeutischen Behandlung zu profitieren. So benötigt es muttersprachliche Therapeuten oder ausreichend qualifizierte Dolmetscher. Auch wenn es offiziell die Möglichkeit der Finanzierung eines Dolmetschers (z.B. durch das Sozialamt) gibt, ist der bürokratische Weg lang, kompliziert und nicht immer von Erfolg gekrönt.

Weitere Informationen zur Expertise der Bertelsmann Stiftung finden sie unter: www.bertelsmann-stiftung.de. Den Sachstandsbericht „Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden“ finden Sie hier.